GEMEINDE, VOLKSBILDUNGSWERK ST. RADEGUND
C H R O N I K - Kurzform
St. Radegund steht auf ehemaligem Weilhartboden. Während der Steinzeit und während der Bronzezeit waren in unserer engeren Umgebung nur einzelne offene Gebiete an der Salzach besiedelt. So hat man in der Werfenau ein Stein- oder Lochbeil gefunden, welches in der Herzogsburg in Braunau zu sehen ist.
In der Bronze- und Hallstattzeit sowie in der Keltenzeit bis zur Zeitenwende wurden bei uns keine Funde gemacht. Unser Gemeindegebiet war wahrscheinlich nur Wald.
Zur Römerzeit war Ostermiething schon eine Siedlung. In unserer Nachbargemeinde Tarsdorf fand man den Grabstein einer römischen Familie.
Mit der Völkerwanderung sanken auch diese Siedlungen wieder in den Wald zurück. Um etwa 530 wanderten die Bajuwaren in unser Gebiet ein. Zu dieser Zeit war der Weilhart mehrheitlich ein Laubwald mit Buchen, Eichen und Birken und im Besitz der fränkischen Könige und der Herzöge von Bayern. Gerodet wurde der Wald von leibeigenen slawischen Arbeitern. Mit ihnen gelangte die Grundherrschaft in unsere Gegend. In diese Zeit fällt auch die Christianisierung durch die Klöster Salzburg und Mattsee, vielleicht auch durch eine klösterliche Niederlassung in Raitenhaslach.
1002 scheint das Landgericht Weilhart urkundlich auf. 1041 schenkte Kaiser Heinrich den Hof Ostermiething samt dem oberen Weilhart dem Bistum Freising, von dort gelangte er an die Grafen von Burghausen und schließlich an die bayrischen Herzöge.
Das 13. Jahrhundert brachte Kriegswirren, und die Bevölkerung hatte unter sengenden und plündernden Kriegshorden zu leiden.
Um etwa 1312 übergab Herzog Otto von Bayern Besitzungen an Adelige und Klöster. Und mit diesen Schenkungen beginnt auch die nachweisbare Geschichte unseres Ortes. Herzog Stefan der Ältere und sein Sohn Johann stiften 1372 „Am Sunntag vor Georgentag“ (18. August) eine tägliche Messe in der St. Radegundiskapelle im Weilhart bei der Ettenau. Der Herzog stiftet -Zitat- „100 Pfund Pfennig zum Licht und zum Bau und Widmung des Grundes, was ein Mann mit einem Wurfstein von den äußersten Zäunen scheibaus hinwegwerfen vermag.“ (Zitatende)
1372 muß also die Kapelle schon gestanden sein. Und die „äußersten Zäune“ deuten schon auf Besiedlung hin. Dazu gehört auch der uralte Hausname Auffanger. Ein Auffang war Chronik der Gemeinde St.Radegund – Kurzform Seite 2 nämlich ein gerodetes Stück Waldland, das mit einem Zaun oder Graben umgeben war - also die äußersten Zäune.
Alles deutet darauf hin, dass damals schon eine kleine Siedlung (von ungefähr 5, 6 Häusern) bestand. Und der Herzog stellte mit dem Grund eine kleine Pfründe für das Kloster Raitenhaslach zur Verfügung, von dem ein Pater diese tägliche Messe lesen musste.
1372 wird also unser Ort zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Er dürfte aber schon seit dem 12. Jahrhundert besiedelt sein, als die Rodungstätigkeit im Weilhart ihren Höhepunkt erreichte.
Aus uralter Zeit stammen die Ortschaftsnamen unserer Gemeinde. HADERMARKT kommt vom slawischen „hatar“ - die Grenze und bedeutet einen geflochtenen Zaun, eine Hürde.
Der Name EICHBICHL kommt von Aichpühel, also ein mit Eichen und Buchen bestandener Platz, schon 1589 in einer Urkunde des Wildshuter Gerichtes erwähnt. Der Name WERFENAU kommt vom althochdeutschen „hwerbo“, das bedeutet Drehung, Wirbel, Strudel im Fluß. Also eine Au, wo der Fluss eine Biegung macht. Am ältesten ist den Name ETTENAU, das schon 1210 als „Ettnawe“ aufscheint und sich 1589 als „Ottenau“ wiederfindet. Der Name kommt vom Personennamen „Eto“. Schwieriger wird es beim SCHWABENLANDL. Es ist nicht sicher, ob die Bezeichnung von der Besiedelung durch Schwaben stammt oder vom Personennamen Schwab (Schwaben kamen nach Ausbruch des 30-jährigen Krieges in unsere Gegend, und zwar auf der Flucht vor den Franzosen).
Auch Hausnamen geben Aufschluss über das frühere Aussehen und die Entstehung der Gemeinde: Moosbauer von Moos, Sumpf Plaikner von plaike, was soviel bedeutet wie Blöße, Rutschgebiet. Schnaitl von sneite = ausgehauener Waldweg Lohbauer von loh = Buschwald Speckmann von specke = Prügelweg Überreiter kommt nicht vom Wort Reiter, sondern vom mittelhochdeutschen Wort ruite = Rodung. Andere Namen lassen sich von Personennamen ableiten, z.B. Marx von Markus, Lipp von Philipp und Woferl von Wolfgang.
Das Kreuz am Sportplatz stammt wahrscheinlich aus der Pestzeit des Jahres 1349, als in unserem Gebiet ganze Ortschaften ausstarben.
Im 15. Jahrhundert war unserer Gegend eine Blütezeit beschieden. Anstelle der einfachen Radegundiskapelle wurde eine Kirche erbaut und am 15. April 1422 durch Probst Engelmar von Chiemsee eingeweiht. (Die Urkunde befindet sich im Pfarrhof.) Wir müssen uns die damalige Kirche allerdings kleiner vorstellen, ohne die Seitenschiffe, also in der Breite durchgehend wie sie vorne beim Altar ist.
Pfarrkirche heute
Aus der Pestzeit der Jahre 1520 und 1521 könnte das Kreuz vor der Schule stammen. 1560 wurden die Seitenschiffe an die Kirche angebaut, sicher eine Notwendigkeit durch das Anwachsen der Bevölkerung.
Der 30-jährige Krieg brachte Not, Elend und Plünderung. Kurz darauf wurde wieder gebaut, und zwar um 1656 die Plaiknerkapelle . Die Kanzel der Kirche stammt aus dem Jahr 1725, der Hochaltar wurde um 1770 errichtet.
1782 wird aufgrund der Reformen Josefs II. auch St. Radegund eine eigene Pfarre. 1787 wird als Pfarrkurator Pater Stefan Huber vom Abt in Raitenhaslach ernannt. Der Friedhof wird angelegt, und 1788 erscheint die 1. Eintragung ins Taufbuch. Der nächste und auch schon letzte Zisterzienserpfarrer ist Pater Eugen Reiter - er starb 1810. Sein Grabstein mit Messbuch, Kelch und Hostie ist auch nach der Renovierung der Kirche neben dem Eingang zur Sakristei an der Kirchenmauer zu sehen. Sein Nachfolger Matthäus Zärbl ist bereits ein Weltpriester. In diese Zeit fällt, nämlich um 1803, die Auflösung des Klosters Raitenhaslach mit seinen damals 37 Mönchen.
Im Jahr 1810 wurde das alte Schulhaus neben der Kirche gekauft, es war ein Zuhaus vom Danielgütl, später Mesnerwirt, heute Hofbauer. Der 1. Lehrer war ein gewisser Herr Seyböck. Es gab die 6-jährige Schulpflicht und anschließend 3 Jahre Sonntagsschule. Das alles war wohl nicht gerade fürstlich eingerichtet, denn noch 1870 schreibt der Lehrer: Das Schulhaus gehört zu den mindest ausgestatteten Oberösterreichs.
Im Jahr 1816 wurde als erstes von 12 Kindern dem Steinhofbauern ein Sohn Johann Baptist Wengler geboren. Man darf ihn durchaus zu den besten österreichischen Meistern seiner Zeit zählen .
Eine Folge der Revolution von 1848 war die Befreiung der Bauern aus Untertänigkeit und Grundherrschaft und damit Hand in Hand die Entstehung der Gemeinden. Von 1853 an wurden die Bezugsrechte der Bauern an Holz und Streu durch eigenen Waldbesitz abgelöst. Die Bauern wurden Herren über eigenen Grund und Boden. Dafür mußten sie an die k.u.k. Steuerkasse in Wildshut eine Abfindung in 20 Jahresraten zahlen. Quittungen und Waldpläne aus dieser Zeit sind erhalten. 1889 wanderten die deutschen Einwohner der Werfenau aus und Holzarbeiter aus Böhmen wurden angesiedelt. Ferner seien auch größere Hochwasserkatastrophen der Jahre 1897 und 1899 erwähnt. Am 18. Dezember 1899 wurde unser altes Schulhaus, aber noch ohne den vorderen Anbau, kollaudiert und am 2. Jänner 1900 begann dort der Unterricht. In diesem Jahr besuchten 146 Kinder die Schule.
Unter Bürgermeister Eichelseder beginnt in St.Radegund die Geschichte der Passionsspiele. 1908 wurde im Saal des Gastwirtes Kaspar Habl gespielt. Das Spiel fand großen Anklang und der Gasthaussaal erwies sich als viel zu klein, daher wurde der Beschluss gefasst, eine Spielhalle zu bauen, in der bereits 1913 die Passion aufgeführt wurde. Ein Jahr später begann der 1. Weltkrieg. 37 Namen von gefallenen St.Radegundern sind im Kriegerdenkmal bei der Kirche vermerkt. 1922 fanden wieder Passionsspiele statt. 1925 und 1930 wurde noch einmal die Passion aufgeführt, 1933 gelangte ein Marienspiel zur Aufführung. Chronik der Gemeinde St.Radegund – Kurzform Seite 4 Flüchtlingseinquartierungen und Kriegsereignisse zogen die Halle sehr in Mitleidenschaft, der Sturm im Jahr 1974 machte dann allen Renovierungsplänen ein Ende und die Halle wurde abgerissen.
Aus dem Jahr 1938 findet sich die letzte Eintragung in der Gemeindechronik und zwar mit Bleistift auf der Innenseite eines Molkereisackerls. - Der Chronist war vorsichtig geworden. Am 15.03.1938 erfolgte beim Hofbauer die Auflösung der Gemeindevertretung und die Absetzung des Bürgermeisters durch einen NS-Funktionär aus Ostermiething. Es ist alles reibungslos verlaufen. Zunächst wollte niemand Bürgermeister werden. Als bedeutet wurde, dass dann ein Kommissär eingesetzt würde, übernahm Franz Sperl, Holzhauser, das Amt. Über die Kriegszeit selbst ist in der Chronik kaum etwas zu finden, da sowohl aus der Pfarr- als auch aus der Schulchronik die Blätter entfernt wurden.
Aus dem 2. Weltkrieg befinden sich 57 Namen auf dem Kriegerdenkmal. In Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg hat ein St.Radegunder besondere Berühmtheit erlangt, nämlich Franz Jägerstätter. Er wurde am 9. August 1943 im Alter von 36 Jahren in Berlin enthauptet. Seine Urne wurde an seinem Todestag im Jahre 1946 in St. Radegund beigesetzt. Fernseh- bzw. Filmaufnahmen aus den Jahren 1967 und 1970 zeugen vom Interesse der Öffentlichkeit an der Person Franz Jägerstätters. Das ehemaligeWohnhaus wurde mittlerweile durch eine Stiftung angekauft und renoviert. Seit einigen Jahren finden dort verschiedenste Veranstaltungen, das pfarrliche Leben betreffend, statt. Seit geraumer Zeit laufen Bestrebungen, eine Seligsprechung Franz Jägerstätters durchzusetzen.
Im Mai 1945 ist der 2. Weltkrieg zu Ende. In St. Radegund sind viele Flüchtlinge, hauptsächlich aus dem Banat und aus Schlesien, einquartiert. Pfarrer Josef Karobath, der vom damaligen Regime seines Amtes enthoben wurde, kehrt wieder nach St. Radegund zurück. In der Gemeinde beginnt der Aufbau eines gesellschaftlichen Lebens. Noch im Jahr 1945 wird ein Chor gegründet. Ein Jahr später erfolgt die Reaktivierung der Feuerwehr. In diesem Jahr wird Josef Wagenhammer Bürgermeister. Er leitet die Geschicke der Gemeinde über einen äußerst langen Zeitraum, nämlich bis 1973.
1947 leiden Land und Gemeinde unter einer großen Dürre, sicher neben den Hochwasserjahren 1954 und 1959 eine der schlimmsten Katastrophen. Die Ergebnisse der Nationalrats-, Landtags- und Gemeinderatswahlen aus dem Jahre 1949 sind in der Chronik vermerkt.
In den 50er Jahren beginnt eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur. Neben vielen baulichen Maßnahmen wird im Jahre 1952 ein neuer Sportplatz angelegt. Im Jahre 1953 wird die Union St. Radegund gegründet. 1958 erfolgt die Errichtung der Feuerwehrzeugstätte. Im Jahre 1961 wird die Theatergruppe reaktiviert. 1965 wird das neue Gemeindeamt eröffnet. Im Jahre 1976 erhält jede Gemeinde eine staubfreie Zufahrt. Es beginnt die Staubfreimachung der Acher-Bezirksstraße. 1968 wird eine Leichenhalle gebaut.
Im Jahr 1970 geht Pfarrer Karobath, der die Gemeinde viele Jahre hindurch betreute, in Pension. Ab diesem Zeitpunkt steht für St. Radegund kein eigener Seelsorger mehr zur Verfügung. 1970 bis 1977 wird die Pfarrgemeinde von Pfarrer Karl Engertsberger aus Chronik der Gemeinde St. Radegund – Kurzform Seite 5 Tarsdorf und von 1977 bis zur heutigen Zeit von Pfarrer Josef Steinkellner aus Tarsdorf betreut.
1972 wird die Goldhaubengruppe gegründet. Im Jahre 1973 trat Isidor Hofbauer die Nachfolge von Josef Wagenhammer als Bürgermeister an. Er stand seinem Vorgänger an Popularität um nichts nach. Nicht nur dass er die Geschicke der Gemeinde mit äußerster Umsicht leitete, übte er darüber hinaus noch verschiedene Funktionen auf Bezirks- und Landesebene aus.
1974 erfolgt die Errichtung des Bauhofs. Im Jahre 1978 wird der neu errichtete Fußballplatz eingeweiht. Im Jahre 1979 finden die ersten St. Radegunder Kulturtage statt, ein Jahr später bereits die zweiten. In deren Rahmen wird der Gemeinde von Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck das Gemeindewappen verliehen.
Im Jahre 1980 brennt die Heilbrünnl-Kapelle ab, ein Jahr später wird die neu errichtete Kapelle eingeweiht. Ebenfalls im Jahre 1981 wird die Telefonanschlussgemeinschaft gegründet.
Im Jahre 1982 wird im Rahmen der 3. Kulturtage die Johann Baptist Wengler Ausstellung eröffnet. Zwei Jahre später wurden bei den 4. St. Radegunder Kulturtagen die Werke des Hergottschnitzers Alois Wengler gezeigt. Auf Grund der Bemühungen des Gemeinderates kann im Jahre 1993 die neue 3-klassige Volksschule mit Turnsaal eröffnet werden. In diesem Zusammenhang wird auch der Dorfplatz gestaltet. Da eine Renovierung des alten Gemeindeamtes unumgänglich ist, werden die Amtsgeschäfte für ca. 1 Jahr in der alten Volksschule abgewickelt. Anschließend wird sie im Jahre 1996 von Dir. Karlheinz Schönswetter gepachtet und zum sogenannten Farbwerk umstrukturiert, welches der Gemeinde so manchen kulturellen Impuls verleiht. Die zahlreichen Kurse und Veranstaltungen, auch mit internationaler Beteiligung, tragen wesentlich zum Bekanntwerden der Gemeinde bei. Seit dem Tod von Prof. Karlheinz Schönswetter wird das Farbwerk vom Volksbildungswerk St. Radegund gepachtet und Herrn Konsulent Isidor Hofbauer geleitet.
In den Jahren 1999 bis 2001 wird die Abwasserentsorgungsanlage errichtet und an den Reinhalteverband Salzach-Mitte mit der Kläranlage in Ostermiething angeschlossen.
Nach zweijähriger Bauzeit kann die neue Feuerwehrzeugstätte mit Bauhof im Jahre 2004 bezogen werden. Der Fuhrpark wird um ein neues Kommandofahrzeug erweitert.
Im Juli 2007 werden im gesamten Gemeindegebiet neue Hausnummern und zusätzlich neue Ortschaften und Straßennamen eingeführt.
Am 26. Oktober 2007 wird Franz Jägerstätter Selig gesprochen.
Im November 2007 übergibt Konsulent Isidor Hofbauer das Bürgermeisteramt an den bisherigen Vizebürgermeister Landwirtschaftskammerrat Simon Sigl.
2009 wird der „Franz Jägerstätter Platz“ vor der Pfarrkirche errichtet und an das Leichenhaus wird ein öffentliches WC angebaut. Hinter dem Kriegerdenkmal entsteht ein PKW-Parkplatz und beim Jägerstätterhaus ein Busparkplatz.
Chronik der Gemeinde St.Radegund – Kurzform Seite 6 Erstellt im Jahre 2000 unter Bürgermeister Isidor Hofbauer und den Mitarbeitern des Volksbildungswerkes und der Gemeinde St. Radegund. Seither laufende Ergänzung